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Im Internet werden Menschen oft beleidigt, ausgegrenzt oder bedroht – wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Solche Angriffe nennt man «Hate Speech» (Deutsch: Hassrede). Sie verletzen nicht nur, sondern können auch der Einstieg in radikale Denkweisen sein.
Viele dieser Inhalte wirken harmlos – sind aber gezielt gemacht, um Hass zu schüren oder demokratische Werte zu untergraben. Jugendliche erkennen das nicht immer und leiten solche Beiträge manchmal unbedacht weiter. Manche lassen sich auch davon vereinnahmen.
Deshalb ist es wichtig, dass junge Menschen lernen, zwischen Meinung und Hetze zu unterscheiden – und dass sie wissen, wie man damit umgeht. Erwachsene können sie dabei unterstützen: mit Gesprächen, einer klaren Haltung und dem Mut, einzugreifen.
Hass ist keine Meinung.
Wer Haltung zeigt und Hass widerspricht, stärkt ein respektvolles Miteinander.
Gespräche über die Grenzen von Meinungsfreiheit, Respekt und Zivilcourage sind wichtig.
Radikale Botschaften verstecken sich oft hinter Unterhaltungselementen.
Empathie und Perspektivenwechsel können gegen Vorurteile helfen.
Inhalt
Hass verbreitet sich im Internet besonders schnell, weil die Angreifer sich dort sicher und anonym fühlen. Was online gesagt oder geteilt wird, fühlt sich für viele weniger verbindlich an als im echten Leben. Dazu kommt: In sozialen Netzwerken bekommen extreme oder wütende Inhalte oft besonders viel Aufmerksamkeit. Wer Hass verbreitet, bekommt viele Klicks, Likes oder Kommentare – das macht die Botschaften sichtbarer. Und weil viele Menschen vor allem Inhalte sehen, die zur eigenen Meinung passen, bleibt Widerspruch oft aus. So entsteht der Eindruck, mit der eigenen Haltung im Recht zu sein – auch wenn sie verletzend oder gefährlich ist.
Ein weiteres Problem: Hate Speech wird manchmal gar nicht als solche erkannt oder heruntergespielt – als Meinung, Scherz oder Provokation. Das macht es für Betroffene noch schwerer, sich zu wehren. Deshalb ist es wichtig, klar zu benennen, was Hass ist – und ihm gemeinsam entgegenzutreten.
Typische Formen von Diskriminierung und Hass im Netz sind:
Rassismus
Antisemitismus
Antiziganismus (von «tsigane», Französisch für Zigeuner)
Muslimfeindlichkeit
Feindlichkeit gegenüber Schwarzen Menschen
Sexismus
Feindlichkeit gegenüber LGBTQI*-Personen
Diskriminierung und Abwertung von Menschen mit Behinderung
Was ist freie Meinungsäusserung? Und wo fängt Hate Speech an? Wer genau hinschaut, erkennt typische Muster, mit denen Hass im Netz verbreitet wird:
Abwertung oder Beschimpfung von Gruppen: Aussagen wie «Alle XY sind gefährlich/dumm.»
Aufrufe zur Ausgrenzung: «Die sollen alle raus.»
Verbreitung von Stereotypen: Wenn ganze Gruppen auf ein Merkmal reduziert werden, z. B. «Typisch Frau», «Alle Muslime sind…»
Verletzende Sprache: Beleidigungen, abfällige Begriffe oder entmenschlichende Aussagen wie «Ungeziefer/Parasiten/Abschaum»
Verharmlosung von Gewalt oder Hetze: zum Beispiel «Man wird ja wohl noch sagen dürfen…», wenn es um rassistische, sexistische oder antisemitische Aussagen geht.
Verbreitung von Falschinformationen, die gezielt Ängste schüren oder gegen bestimmte Gruppen Stimmung machen.
Damit Hass im Netz gar nicht erst entsteht oder sich ausbreitet, brauchen Kinder und Jugendliche klare Orientierung. Beispiele von beleidigenden und diskriminierenden Inhalten können helfen, ein klares Gespür für Grenzüberschreitungen zu entwickeln. Dazu gehört auch, Stereotype zu hinterfragen. Gerade Werbungen, Musikvideos oder Inhalte in sozialen Netzwerke sind oft voller Klischees. Diskutieren Sie mit Kindern und Jugendlichen darüber, wie Menschen dargestellt werden und welche Botschaften dadurch vermittelt werden.
Gespräche über ein respektvolles Verhalten und über Zivilcourage sind wichtig. Wer Hass widerspricht oder mit Gegenargumenten reagiert, zeigt Haltung. Das kann geübt werden – im Alltag, in der Schule, zu Hause.
Und auch das Bewusstsein für rechtliche Folgen gehört dazu: Wer online Hass verbreitet, kann sich strafbar machen.
Viele Heranwachsende haben schon Hass im Netz erlebt – ob direkt oder als Zuschauer*in. Umso wichtiger ist es, dass sie wissen, wie sie sich verhalten können.
Das bedeutet:
Genau hinschauen! Eine Frage, die helfen kann: Würde ich das auch laut in einem Raum voller Menschen sagen – direkt vor den Betroffenen?
Nicht mitmachen! Kein Liken, kein Weiterleiten, kein Mitlachen – auch das kann verletzen.
Klar Stellung beziehen! Man muss Hass nicht kommentarlos stehen lassen. Manchmal hilft schon ein «Stopp» oder «Das ist rassistisch/sexistisch/diskriminierend».
Hass Melden! Entweder bei den Plattform-Anbietern direkt (Instagram, TikTok, X, etc.) oder bei Meldestellen (siehe weiter unten).
Hilfe holen! Bei einer erwachsenen Vertrauensperson, Lehrperson oder Beratungsstelle.
Wenn Kinder oder Jugendliche im Netz Hass erleben – auch wenn sie solche Inhalte als Nichtbetroffene wahrnehmen –, ist es wichtig, ruhig zu bleiben und sie ernst zu nehmen.
Zuhören ist der erste Schritt: Wie kam es dazu? Was wurde gesagt oder geschrieben? Wie geht es der betroffenen Person?
Danach sollte Beweismaterial gesichert werden – etwa durch Screenshots oder das Speichern von Nachrichten, bevor sie gelöscht werden.
Inhalte, die Hass oder Gewalt verbreiten, sollten konsequent über die Plattform gemeldet werden. Fast alle Netzwerke bieten dafür Melde- oder Blockierfunktionen.
In ernsteren Fällen – etwa bei Drohungen oder wiederholten Angriffen – ist es wichtig, professionelle Unterstützung einzubeziehen: Schulsozialarbeit, Beratungsstellen oder die Polizei.
Wenn sich die Betroffene und Täterschaft kennen, kann auch eine gemeinsame Besprechung im Klassen- oder Gruppenverband hilfreich sein – ohne einzelne blosszustellen, aber mit klarer Haltung gegen Hass.
Die Entwicklungsphase von Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist geprägt von der Suche nach der eigenen Identität. Gerade das Internet bietet in diesem Prozess ein Spiel- und Experimentierfeld, in dem verschiedene Ideen ausgetestet werden können.
Zudem entwickelt sich im Jugendalter das Interesse an politischen und sozialen Fragen. Es geht darum, ein eigenes Wertesystem zu finden. Auch damit ist eine Öffnung für verschiedene Haltungen und Ansichten verbunden.
Die Schwierigkeit besteht für Jugendliche oft darin, extremistische Inhalte einzuordnen und die dahinterliegende (Propaganda-)Absicht zu erkennen. Das hat vor allem auch mit der meist professionellen technischen Umsetzung und Aufmachung solcher Inhalte. Zudem verstecken sich radikale Botschaften und Ideologien oft hinter vermeintlich harmlosen Unterhaltungselementen wie Songs, Klingeltönen, Memes oder Bildern.
Jugendliche möchten sich mit anderen verbunden fühlen. Online kann dieses Zugehörigkeitsgefühl für manche noch schneller entstehen als durch persönliche Kontakte in der physischen Welt. Besonders Jugendliche und junge Erwachsene mit wenig gefestigten sozialen Beziehungen können empfänglich sein für gewisse Botschaften, die genau diesen Gemeinschaftssinn hervorheben.
Fachpersonen sind sich einig, dass es keine allgemeingültigen Radikalisierungsfaktoren oder -ursachen gibt. Wer sich radikalisiert, wendet sich extremen Denk- und Handlungsweisen zu. Wie genau dieser Prozess verläuft, ist sehr individuell. Ein typisches Profil von Menschen, die besonders anfällig für eine Radikalisierung sind, gibt es nicht.
Drei Faktoren scheinen aber wichtig:
Unzufriedenheit oder das Gefühl, nicht dazuzugehören – zum Beispiel durch Ausgrenzung, persönliche Krisen oder einen inneren Konflikt mit der eigenen Identität.
Einseitige Weltsicht – eine extremistische Ideologie wird übernommen, die vorgibt, alle Probleme mit einfachen Antworten zu erklären.
Starker Einfluss durch eine Gruppe – etwa durch enge Gemeinschaft, Gruppendruck oder das Gefühl, dazugehören zu wollen.
Die Schwierigkeit: Manchmal läuft eine Radikalisierung verdeckt ab, ohne eindeutige Hinweise. Die persönliche Geschichte und individuelle Umstände sollten immer berücksichtigt werden.
Dennoch gibt es Anzeichen, etwa wenn Jugendliche:
provokante oder extreme Aussagen machen wie: «Ich würde selbst in den Krieg ziehen.»
mit Gewalt drohen oder sich plötzlich auffällig aggressiv verhalten
verharmlosen, indem sie sagen: «Das ist ja nur Spass.» oder «Das ist doch nur ein Spiel.»
Verschwörungstheorien glauben und teilen
sich stark verändern, sich zurückziehen, Kontakte abbrechen oder Menschen mit anderen Meinungen plötzlich ablehnen
Zunächst ist es wichtig, ruhig zu bleiben und die Verbindung zu den Jugendlichen nicht abbrechen zu lassen. Das heisst:
Auch wenn es schwerfällt: Zeigen Sie Interesse und bleiben Sie wertschätzend.
Reagieren Sie nicht mit Vorwürfen oder Abwertung. Hören Sie zu, aber beziehen Sie klar Position: Gewalt ist niemals eine Lösung.
Gehen Sie nicht auf inhaltliche Diskussionen über Religion oder Politik ein, wenn Sie sich unsicher fühlen. Es geht nicht darum, zu überzeugen, sondern zum Nachdenken anzuregen.
Unterstützen Sie Jugendliche darin, radikale Inhalte zu hinterfragen: Wer steckt dahinter? Was ist das Ziel? Warum wirkt das auf den ersten Blick überzeugend?
Sprechen Sie über Empathie und Vorurteile. Wer sich in andere hineinversetzen kann, ist weniger anfällig für Hassbotschaften.
Wenn die Situation unklar oder besorgniserregend ist, wenden Sie sich an Fachpersonen oder eine Beratungsstelle (in schweren Fällen auch an die Polizei).
Die schweizerische Bundesverfassung beinhaltet das Recht auf Gleichbehandlung für alle Menschen, die in der Schweiz leben (Art. 8). Das heisst: Niemand darf wegen Herkunft, Rasse, Geschlecht, Sprache, Religion oder Lebensform diskriminiert werden.
Artikel 261bis wurde 1994 ins Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen als Strafnorm gegen Rassismus. Er stellt verschiedene Handlungen, die sich gegen eine oder mehrere Personen richten, unter Strafe. Dazu gehören etwa der öffentliche Aufruf zu Hass und Diskriminierung, entwürdigende Beschimpfungen oder das Verbreiten verleumderischer Ideologien. Waren ursprünglich Straftatbestände aufgrund von Rasse, Herkunft, Religion oder Hautfarbe benannt, beschloss das Schweizer Stimmvolk 2020 die Erweiterung der Strafnorm um die sexuelle Orientierung. Nicht explizit Bestandteil der Strafnorm ist hingegen der Schutz von intergeschlechtlichen und Trans-Menschen.
Bei verbaler Gewalt gegen diese und andere soziale Gruppen (Menschen mit Behinderungen, Armutsbetroffene usw.) kommen das Zivilgesetzbuch (Schutz der Persönlichkeit, Art. 28 ZGB) sowie andere Strafrechtsnormen wie üble Nachrede (Art. 173 StGB), Verleumdung (Art. 174 StGB), Beschimpfung (Art. 177 StGB) und Drohung (Art. 180 StGB) zur Anwendung.
Die öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit ist durch Artikel 259 StGB verboten. Artikel 13e des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) regelt die Sicherstellung, Beschlagnahme und Einziehung von Propagandamaterial, das konkret und ernsthaft zur Gewalttätigkeit gegen Menschen oder Sachen aufruft.
Dieser Gesetzesbestimmung liegt das Verständnis zugrunde, dass alle Erscheinungsformen von Gewalt (z. B. links- oder rechtsextremistisch motivierte Gewalt) gleichermassen verwerflich und in einem demokratischen Staat nicht zu rechtfertigen sind. Diese Norm macht es möglich, Propagandamaterial auch ohne Strafurteil zu beschlagnahmen. Gerade über das Internet kann solches Material schnell verbreitet werden. Dank der Bestimmung können die Absender angezeigt und entsprechende Seiten gesperrt werden.
Letzte Aktualisierung des Textes am 12.11.25